Frühjahr Sommer 2023

Der Baumotor brummt leiser

Der Bauboom in den Gemeinden scheint gebrochen zu sein. Die allgemeine Teuerung, der Engpass bei Material, das steigende Lohnniveau, der Fachkräfte-Mangel und das Fehlen erschwinglicher Baugründe machen es immer schwieriger, ein bezahlbares Zuhause in der Heimat zu realisieren.

Das Thema hat nichts an Brisanz und Aktualität eingebüßt: 73 Prozent der Teilnehmer*innen einer Umfrage der Tiroler Tageszeitung gaben an, dass die Politik in unserem Land in Zukunft noch stärker auf den Sektor „Ermöglichen von leistbarem Wohnen“ fokussieren soll. „In der Bauwirtschaft kann man aktuell eine ganze Liste verzögernder Faktoren aufzählen. Allein durch das hohe Zinsniveau ist die Kreditnachfrage bei Banken um ein Drittel geschrumpft“, berichtet Unternehmer Dipl.-Ing. Anton Rieder, der die Branche auch als Landesinnungsmeister und Vizepräsident der Tiroler Wirtschaftskammer nur zu gut kennt. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass Bauwillige 20 Prozent an Eigenmitteln mitbringen müssen, um überhaupt in den Genuss einer Finanzierung zu kommen. Entsprechend werden in Tirol deutlich weniger Einfamilienhäuser gebaut. Außerdem stellen sich Gemeinden vermehrt quer, wenn es um neue Wohnprojekte geht. Bauträger tun sich demnach immer schwerer, überhaupt Grund zu finden. Und die wenigen am Markt befindlichen Grundstücke sind allein zu Höchstpreisen verfügbar. „Die Arbeit mit den Gemeinden ist kompliziert. Am liebsten wäre den Verantwortlichen, dass Bungalows mit Satteldach errichtet würden!“, gewährt Anton Rieder einen freimütigen Einblick in den Geschäftsalltag. Besonders nervenaufreibend sei die lange „analoge“ behördliche Verfahrensdauer – von Planungs- beginn bis Baubescheid. Ein Faktum, das dem Digitalpionier RIEDERBAU sauer aufstößt. Das Totalunternehmen muss sich nebenbei auf deutlich gestiegene Eigenkosten einstellen: Löhne und Gehälter erhöhen sich ab Mai um 10 Prozent, die Preise für Baustoffe und Energie explodieren regelrecht. Summa summarum wurde das Bauen in den letzten zwei Jahren um zwei Drittel teurer. Einen weiteren Schwachpunkt auf dem aktuellen Baumarkt verortet Dipl. Ing. Rieder in der Produktivität der Unternehmen. Hier sei keine Steigerung mehr in Sicht, tatsächlich sinke diese pro Quadratmeter Wohnfläche. 

 

MIETE STATT EIGENTUM 

Hinzu kommt, dass es für Kapitalanleger mit geringerem Eigenkapital noch schwerer geworden ist, überhaupt zu investieren – Grund hierfür sind die gestiegenen Zinsen. „Damit ist eine Zielgruppe teilweise weggebrochen“, weiß Michael Oberlechner, Geschäftsbereichsleiter von RIEDERIMMO. „Generell steigt die Nachfrage nach Mietwohnungen nun stark an, was wiederum bewirkt, dass Mieten und Betriebskosten ebenfalls in die Höhe schießen.“ Er zeigt auch in Richtung der Tiroler Gemeinden, in denen die Bauträger in den vergangenen acht Jahren teils große Bauprojekte umgesetzt haben. Gleichzeitig mussten die Gemeinden darauf achten, mit der Infrastruktur nachzukommen – denn ein großes Bauvorhaben zieht teils neue Mieter*innen an und für deren Kinder muss die Gemeinde beispielsweise für einen Krippenplatz sorgen. Das ist wiederum vielerorts ein Grund dafür, dass die Gemeinden beim Wohnbau auf die Bremse drücken. 

 

GEGENSTEUERN DURCH INDUSTRIALISIERUNG UND DIGITALISIERUNG 

Wenn es um effektive Maßnahmen geht, um aus der gegenwärtigen Talsohle auszubrechen, legt der Unterinntaler Bauunternehmer einen Aktionskatalog vor, der bisweilen die Gemüter aller Beteiligten erhitzt. Nach dem Motto „Muss jedes Haus wirklich ein Prototyp sein?“ spricht Rieder die traditionelle Sichtweise des Bauwesens an. Jedes Vorhaben wird stark nach rein äußerlichen Komponenten entwickelt, zukunftsweisender ist jedoch, das Gebäude von innen her zu denken. Dies eröffnet den Weg der Standardisierung von Hausteilen und Prozessabläufen. Bei einem industrialisierten Bauverfahren werden Komponenten im Werk vorgefertigt und vor Ort zusammengefügt. Das Zauberwort der Gegenwart heißt allerdings „Digitalisierung“. In vielen Betrieben werden schon Materialfluss und Produktion durch elektronische Maßnahmen perfektioniert. Das Totalunternehmen RIEDERBAU setzt mit Eigenentwicklungen bei RIEDERTECH auf die Optimierung der Datenströme. Dabei lassen sich erhebliche Verbesserungen im Projekt-Management und Einsparungen bei Laufzeiten und Kosten erzielen. 

 

EIN AMBITIONIERTES PROGRAMM 

Ein 5-Punkte-Programm zur Zukunft des Bauens ist nach Ansicht Rieders nötig. Zunächst sollte überlegt werden, ob es angesichts der sich ändernden Umgebungsvariablen sinnvoll er- scheint, 20 bis 30 Prozent der Baukosten regelrecht in Kellern und Tiefgaragen-Abstellplätzen zu „vergraben“. „Immer mehr Menschen steigen auf Öffis und Klimaticket um. Warum nicht Wohnraum günstiger anbieten für Leute, die kein Auto haben wollen?“, fragt sich der Landesinnungsmeister. Weiters gilt es, die vorher beschriebenen „inneren Werte“ von Wohnräumen stärker zu forcieren. Genauer gesagt: Effiziente Grundrisse, schlanke Konstruktionen, standardisierte Details und übereinanderliegende Modulbäder beispielsweise könnten bis zu 10 Prozent der Baukosten einsparen. Schließlich kann mit höherer Baudichte eine deutliche Kosteneffizienz erreicht werden. Anton Rieder rechnet vor: „Der proportionale Zusammenhang zwischen Wohnfläche und angemessenen Grundstückskosten muss gemindert werden. Man könnte eine Benchmarktabelle für die durchschnittlichen Baudichten der Tiroler Gemeinden anlegen und jene, die sparsam mit Grund und Boden umgehen, belohnen. Unseren Berechnungen zufolge könnte ein Extra-Geschoss bis 10 Prozent an Einsparung bringen!“ Die konsequente digitale Abbildung der Wertschöpfungskette am Bau würden wertvolle Personalressourcen einsparen. „Building Information Modeling“ (BIM) unterstützt die vernetzte Planung, die Errichtung und Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe mächtiger Software-Tools. RIEDERBAU gilt in diesem Bereich als Innovator und Vordenker. Ein letzter Wink Rieders geht in Richtung Einsparungspotenzial bei Bauvorschriften. Bauunternehmen waren in den letzten Jahrzehnten mit stetig steigenden Vorgaben konfrontiert. Es gebe viele sinnvolle Gesetze und Bestimmungen, aber oftmals werde über das Ziel hinausgeschossen, so Rieder über den Wust an Vorschriften. So hätte sich in dreißig Jahren die Seitenanzahl der Normen verzehnfacht, zehn Mal besser gebaut werde deshalb noch nicht. 

 

TIROL UND BANKEN IN ZUGZWANG 

Kurzfristige Abhilfe beim Finanzierungsengpass sollte das Land selbst schaffen, indem es Kostensteigerungen durch großzügigere Förderungen abfedert. Auch Banken könnten ihren Spielraum bei der Vergabe von Darlehen, unabhängig von der „Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO)“, breiter ausschöpfen. Sie sollten hier dem Genossenschaftsgedanken nachkommen. Dipl.-Ing. Rieder resümiert: „Wenn Banken nur ihre Ergebnisse maximieren und keine Wohnkredite mehr vergeben, wird unsere Region in eine Schieflage geraten!“ 

 

MIT DER KREDITINSTITUTE-IMMOBILIEN- FINANZIERUNGSMASSNAHMEN-VERORDNUNG (KIM-VO) setzt die Finanzmarktaufsicht die Empfehlungen und Vorgaben des Finanzmarktstabilitätsgremiums um. Die Verordnung ist seit 1. August 2022 rechtlich verbindlich auf neu vereinbarte private Wohnimmobilienfinanzierungen anzuwenden. Es gelten u. a. diese Eckpunkte: 

 

  • Maximale Beleihungsquote 90 %, wobei den Kreditinstituten ein Ausnahmekontingent von 20 % zugestanden wird.
  • Schuldendienstquote maximal 40 % (Ausnahmekontingent: 10 %). 
  • Laufzeit maximal 35 Jahre (Ausnahmekontingent 5 %). 
  • Insgesamt dürfen aber bei einem Kreditinstitut maximal 20 % aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten. 
  • Um den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger zu erleichtern, sind Finanzierungen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze von € 50.000 von diesen Vorgaben ausgenommen.
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